Frauen hinter dem Kelim-Webstuhl: Vom Bauhaus zum Bosporus
Berliner Ausstellung vereint Kunst und Web-Tradition - und feiert Kelim-Kunstwerk von Bauhaus-Meisterin Gunta Stölzl ab dem 19.10.2023 als Teil eines kreativen Weberinnen-Projekts
Save the Date: 19.10.2023, 19 Uhr
Vernissage der Ausstellung „Women Behind the Weave: Bauhaus to Bosporus“ Special Guests: Matthew Bourne und Dorothy Bourne von Christopher Farr
Ort: Kastanienallee 55, 10119 Berlin
Dauer der Ausstellung: 19.10. – 16.11.2023 (Finissage)
Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag, 12:00 h – 18:00 h
Foto: "1923" Kelim-Teppich nach Original-Entwurf von Gunta Stöltz
- Im Rahmen der Neueröffnung des neuen Wild Heart Free Soul-Kelim-Showrooms in Berlin Mitte präsentiert Inhaberin Beyza Nur Özler erstmals in Deutschland die Ausstellung „Women Behind The Weave: Vom Bauhaus zum Bosporus“.
- Die Ausstellung zeigt exklusiv den Kelim-Teppich „1923“, der vom Teppichproduzenten Christopher Farr nach einem Originalentwurf der Bauhausmeisterin Gunta Stölzl produziert wurde und aus der Privatsammlung der Familie Stölzl stammt. Christopher Farr fertigt zudem geknüpfte Teppiche nach Originalvorlagen anderer Bauhaus-Künstler, u.a. Anni Albers und Josef Albers an. Diese werden in Zusammenarbeit mit der Josef und Anni Albers-Stiftung hergestellt. Eine Auswahl dieser „Edition Rugs“ wird Teil der Ausstellung bei Wild Heart Free Soul sein.
- Gunta Stölzs Originalentwurf „1923“ diente der türkischen Werkstatt Kirkit als Vorlage und wurde in traditioneller anatolischer Kelim-Webtechnik von Hand gewebt. Die Weberin und Textildesignerin Gunta Stölzl war die erste Meisterin an der Bauhaus-Kunstschule und gilt als Erneuerin der Handwebkunst.
- Die „Women Behind the Weave“-Ausstellung präsentiert zudem fünfzehn gewebte Kelim-Teppiche, die von Kirkit-Weberinnen nach eigenen Vorstellungen hergestellt wurden. Die Kelim-Kunst-Unikate werden exklusiv über Wild Heart Free Soul zum Verkauf angeboten, wobei der Erlös an eine lokale Wohltätigkeitsorganisation nach Wahl von Kirkit geht. .
- Kirkit setzt neue Maßstäbe für das Wohlergehen der Weber:innen, kämpft für einen nachhaltigen Industriestandard, sichert so die Zukunft der traditionellen Weberei in der Türkei.
- „Women Behind the Weave“ möchte diese unterschiedlichen Gruppen von Frauen würdigen: Die Kelim-Weberinnen aus Anatolien und die Frauen aus der Bauhaus-Weberei-Abteilung.
Berliner Ausstellung: „Frauen hinter dem Kelim-Webstuhl: Vom Bauhaus zum Bosporus“
Handgewebt, nachhaltig, traditionsbewußt: Anlässlich der Einführung eines neu hergestellten Kelim-Teppichs von Bauhausmeisterin Gunta Stölzl (1897- 1983) hat sich der renommierte Teppichproduzent Christopher Farr mit der Kirkit-Werkstatt zusammengetan. Das Unternehmen Christopher Farr produzierte bereits Teppiche von berühmten Bauhaus-Künstler:innen wie Anni Albers und Josef Albers.
Stölzl erlangte nicht nur Ruhm als erste Bauhaus-Meisterin, sondern auch wegen ihrer unkonventionellen Vorgehensweise. So verlagerte sie den Schwerpunkt von malerischen Arbeiten hin zu mehr industriellen Entwürfen, führte radikale Ideen aus der Welt der modernen Kunst in die Weberei ein und initiierte Experimente mit Materialien und Methoden, die die Weberei in die Moderne führten.
Erstmalig in Deutschland wird ein neuer Entwurf der Bauhausmeisterin Gunta Stölzl zu sehen sein, der von Weberinnen der Werkstatt Kirkit Kelim gewebt wurde.
Im Rahmen der Präsentation dieses Bauhaus-Kelim wird das kreative Webprojekt „Women Behind the Weave: Bauhaus to Bosphorus“ präsentiert: fünfzehn gewebte Kunstwerke, die von einzelnen Weberinnen der Kirkit-Werkstatt hergestellt wurden. Diese produzierten Flachgewebe nach ihren eigenen Vorstellungen und nicht nach einem vorgegebenen Muster. Die einzigen Vorgaben waren, 1 m² zu bearbeiten und Garnreste zu verwenden.
Die Ausstellung findet im neuen Wild Heart Free Soul-Showroom in Berlin Mitte statt, deren Inhaberin Beyza Özler sich seit 10 Jahren dem Handel mit antiken und semi-antiken Kelim und Teppichen aus Anatolien widmet. Wild Heart Free Soul-Gründerin Beyza Özler: „Die Ausstellung legt den Fokus nicht nur auf das künstlerisch-traditionelle Web-Handwerk und das legendäre Bauhaus-Design. Das Projekt „Women Behind the Weave“ möchte diese beiden sehr unterschiedlichen Gruppen von Frauen würdigen.“
Beyza Özler von Wild Heart Free Soul, Matthew Bourne von Christopher Farr und Ahmet Diler von Kirkit teilen eine gemeinsame Vision: das jahrhundertealte Handwerk der Teppichweberei zu bewahren und die Teppichherstellung in Hinblick auf soziale Verantwortung, faire Vergütung und Anerkennung der Weberinnen zu revolutionieren. So beschäftigt Kirkit beschäftigt dreiundzwanzig Weberinnen mit geregelten Arbeitszeiten, einschließlich einer Mittagspause mit selbstgekochtem Essen. Alle Angestellten verfügen über eine Altersversorgung und Zugang zu medizinischer Versorgung.
„Women Behind the Weave“ soll darüber hinaus den Kirkit-Weberinnen eine öffentliche Plattform geben, auf der sie für ihren nachhaltigen Geschäftsansatz, ihre einzigartige Modellwerkstatt und ihre Werte (fairer Handel, Nachhaltigkeit, Respekt vor den Webern) werben können. Das gemeinsame Ziel: den Knüpferinnen & Weberinnen den Respekt zu verschaffen, den sie verdienen, und dafür zu sorgen, dass das jahrtausendealte Wissen über die traditionelle Teppichherstellung und ihr kulturelles Erbe auch in Zukunft erhalten bleibt.
Matthew Bourne, Co-Founder von Christopher Farr: “Wir sind hocherfreut, dass die Frauen der Kirkit-Werkstatt diese Webarbeiten hergestellt haben, und zwar als Hommage an die unvergleichliche Tradition der Kelimweberei in Anatolien, die seit Jahrtausenden fortbesteht. Es ist wichtig, dass diese Tradition fortbesteht, und der beste Weg, dies zu gewährleisten, ist die Aufwertung dieses Handwerks und der Frauen, die es herstellen. Man kann sich keine Welt vorstellen, in der die Franzosen ihre Weinindustrie verschwinden lassen würden. Die Weberei ist für die Türkei und die anderen Länder Kleinasiens von gleicher kultureller Bedeutung.”
Exkurs Kelim Teppiche: Kunstvolle Schätze aus Orient und Okzident
Kelim-Teppiche sind mehr als nur Bodenbeläge; sie sind kulturelle Schätze, die Geschichten erzählen und Handwerkskunst zelebrieren. Einer der faszinierendsten Teppicharten ist der Kelim-Teppich, der seit Jahrhunderten in verschiedenen Teilen der Welt hergestellt wird. Kelims wurden von Nomadenstämmen im Nahen Osten und in Zentralasien als praktische und dekorative Gegenstände hergestellt. Sie wurden verwendet, um Zelte zu schmücken, den Boden zu bedecken und als Satteldecken für Pferde.
Die ältesten bekannten Kelims stammen aus dem 4. Jahrhundert vor Christus und wurden in Ägypten gefunden. Diese frühen Kelims waren oft mit geometrischen Mustern verziert und wurden aus Naturmaterialien wie Wolle, Baumwolle und Ziegenhaar hergestellt.
Im Laufe der Jahrhunderte breitete sich die Kunst der Kelim-Herstellung über verschiedene Regionen aus, darunter der Iran, die Türkei, der Kaukasus, Indien und Nordafrika. Jede Region entwickelte ihre eigenen Stile, Muster und Farbpalette, die die kulturelle Vielfalt und die handwerkliche Meisterschaft widerspiegeln.
Die Herstellung von Kelim-Teppichen ist ein komplexer Prozess, der Geschicklichkeit, Geduld und Hingabe erfordert. Im Gegensatz zu traditionell gewebten Teppichen werden Kelims nicht auf einem Webstuhl hergestellt, sondern auf einem horizontalen Rahmen, der es den Webern ermöglicht, die Kettfäden von Hand zu spannen und die Schussfäden einzuführen. Dieser Prozess erfordert eine präzise Handarbeit und ist zeitaufwändig.
Die Auswahl der Materialien ist ebenfalls von großer Bedeutung. Hochwertige Wolle und Baumwolle werden oft verwendet, um langlebige und strapazierfähige Kelims herzustellen. Die Färbung der Garne erfolgt oft auf natürliche Weise mit Pflanzenfarbstoffen, was den Kelims ihre charakteristischen, erdigen Farben verleiht.
Ein weiteres bemerkenswertes Merkmal von Kelim-Teppichen ist ihre flache, gewebte Struktur. Im Gegensatz zu den dickeren, geknüpften Teppichen haben Kelims eine dünnere Textur und sind daher leichter. Dies macht sie ideal für den Gebrauch in wärmeren Klimazonen.
Kelim-Teppiche sind nicht nur dekorative Gegenstände, sondern haben auch eine symbolische Bedeutung. In vielen Kulturen sind sie mit Glück, Schutz und spirituellen Werten verbunden. In der Türkei beispielsweise werden Kelims oft als Geschenke bei besonderen Anlässen wie Hochzeiten überreicht und sollen dem Paar Glück und Wohlstand bringen
Darüber hinaus erzählen Kelim-Teppiche oft Geschichten aus dem Leben der Weberinnen. Jeder Kelim kann einzigartig sein und verschiedene Muster und Symbole enthalten, die die Kreativität und die Geschichten der Menschen, die ihn hergestellt haben, widerspiegeln.
Foto: Kirkit Weberinnen in Usak, Türkei
Respekt vor den Webern, fairer Handel und Nachhaltigkeit: die Kelim-Werkstatt Kirkit
Gegründet und geleitet wird das Unternehmen von Ahmet Diler, der in dritter Generation in einer Weberfamilie tätig ist. Kirkit Rugs ist ein in Istanbul ansässiges Unternehmen mit weiteren handgeknüpften und spezialisierten Kelim-Werkstätten in der Türkei, das qualitativ hochwertige Teppiche herstellt, die in die ganze Welt exportiert werden. Das Unternehmen nimmt regelmäßig an internationalen Messen teil, darunter Domotex, Hannover, Maison et Objet, Paris und in den USA. Kirkit arbeitet mit internationalen Designern zusammen und hat Erfahrung im Weben von Sonderanfertigungen in Sonderfarben und Sondergrößen
Foto: Die Weberinnen auf der Bauhaus-Treppe, 1927
Exkurs Bauhaus-Meisterin Gunta Stölzl
Gunta Stölzl ragt als Pionierin auf dem Gebiet der Textilkunst heraus. Ihre innovative Herangehensweise an Textilien veränderte nicht nur die Art und Weise, wie wir Stoffe wahrnehmen, sondern stellte auch die traditionellen Geschlechterrollen in Kunst und Design in Frage.
Im Jahr 1919 nahm Gunta Stölzls Leben eine entscheidende Wendung, als sie sich dem Bauhaus in Weimar anschloss. Das von Walter Gropius gegründete Bauhaus wollte die traditionellen Grenzen zwischen Handwerk und bildender Kunst aufheben und einen ganzheitlichen Designansatz fördern. Im Mittelpunkt der Bauhaus-Philosophie stand der Gedanke, dass Kunst und Design in das tägliche Leben integriert werden sollten, und Stölzl machte sich dieses Ethos zu eigen.
Zunächst schrieb sich Gunta Stölzl als Studentin ein, doch ihr Talent und ihr Engagement brachten ihr bald eine Stelle als Jungmeisterin in der Weberei ein. In dieser Funktion begann sie, mit innovativen Webtechniken und Materialien zu experimentieren und die Grenzen des Textildesigns zu verschieben. Ihre Arbeiten erregten nicht nur wegen ihrer Ästhetik, sondern auch wegen ihrer funktionalen Qualitäten Aufmerksamkeit. Stölzls Kreationen waren keine bloßen Dekorationen, sondern praktische Gebrauchsgegenstände, die das Leben der Menschen bereichern konnten.
Gunta Stölzls Anwesenheit am Bauhaus war auch ein wichtiger Schritt, um die traditionellen Geschlechterrollen in Kunst und Design in Frage zu stellen. In einer Zeit, in der Frauen in diesem Bereich oft auf die dekorative Kunst verwiesen wurden, durchbrach sie diese Beschränkungen, indem sie die erste Meisterin am Bauhaus wurde. Ihre Ernennung zu dieser Position spiegelte das Engagement der Institution für Gleichberechtigung und die Anerkennung von Talenten wider.
Einer von Stölzls ikonischsten Beiträgen zur Welt der Textilkunst war ihre innovative Webtechnik, die als "hängendes Doppelgewebe" bekannt ist. Bei diesem Verfahren werden zwei Stofflagen gleichzeitig gewebt, wodurch ein dreidimensionaler Effekt entsteht, der ihren Entwürfen Tiefe und Textur verleiht. Ihre Experimente mit neuen Materialien, Farben und Mustern erweiterten die Möglichkeiten der Textilkunst und machten sie zu einer führenden Persönlichkeit der Textilrevolution des Bauhauses.
Gunta Stölzls Leben und Werk bleiben ein Zeugnis für die transformative Kraft von Kreativität, Innovation und Entschlossenheit. Ihr Pioniergeist am Bauhaus hat nicht nur das Textildesign revolutioniert, sondern auch den Weg für künftige Generationen von Künstlerinnen und Designerinnen geebnet, sich von traditionellen Zwängen zu lösen. Gunta Stölzls Vermächtnis erinnert uns daran, dass Kunst kein Geschlecht kennt und dass die Grenzen des künstlerischen Ausdrucks nur durch die eigene Vorstellungskraft begrenzt sind.
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