Die Herstellung anatolischer Kelims vereint Handwerkskunst, Tradition und kulturelles Erbe auf einzigartige Weise. Durch meine Arbeit mit Wild Heart Free Soul durfte ich über die letzten zehn Jahre hinweg verschiedene Webereien und Weberinnen in Anatolien kennenlernen. Immer wieder fasziniert mich die Komplexität eines Kelims und das Wissen, das seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben wird. Jeder Arbeitsschritt – vom Scheren der Schafe über das Spinnen und Färben bis hin zum Weben – erfordert Geschick, Geduld und Hingabe.
Ein Kelim lässt sich durchaus bewundern, ohne die mühsamen Prozesse zu kennen, die in seiner Herstellung stecken. Doch das Bewusstsein für diese sorgsame Handarbeit und das überlieferte Wissen verleiht jedem Stück eine tiefere Bedeutung. Kelims, die heute nur noch selten nach traditionellen Techniken gefertigt werden, sind mehr als bloße Teppiche – sie sind gewebte Geschichten, die das Leben und die Traditionen ihrer Schöpferinnen widerspiegeln.
Über die Jahre habe ich gelernt, dass es nicht allein die Zeit am Webstuhl ist, die den Wert eines Kelims ausmacht. Es ist das Wissen, die Erfahrung und die Sorgfalt, die in jeden Arbeitsschritt einfließen und das Rohmaterial verwandeln. In einer Welt, in der viele dieser Prozesse mechanisiert wurden, ermöglicht uns das Verständnis für die jahrhundertelange Handwerkskunst der anatolischen Frauen eine tiefere Wertschätzung dieser besonderen Textilien.
Bei Wild Heart Free Soul kuratieren und restaurieren wir Vintage- und antike Kelims, die vor vielen Jahrzehnten nach überlieferten Techniken gewebt wurden. Jeder dieser Kelims ist ein lebendiges Kunstwerk, das ein Stück anatolischer Kultur und Geschichte in dein Zuhause bringt. Sie eröffnen eine tiefe Verbindung zur jahrhundertealten Tradition des Kelim-Webens und laden dazu ein, ein Stück dieser faszinierenden Geschichten bei dir einziehen zu lassen.
Bevor Schritte in der Herstellung mechanisiert wurden, entstand jeder Kelim in einem sorgfältigen, handwerklichen Prozess, der auf überliefertem Wissen basierte. In der folgenden Beschreibung wird die Herstellung so dargestellt, wie sie damals noch vollständig von Hand ausgeführt wurde.
Vom Fell zum Garn: Die Verarbeitung der Schafwolle
Der Herstellungsprozess eines Kelims beginnt im Frühjahr, wenn die Schafe geschoren werden – ein wichtiger Moment im Jahreszyklus der anatolischen Hirten. Während traditionell die Männer die Schur übernehmen, liegt die nachfolgende Verarbeitung der Wolle in den Händen der Frauen. Die frisch geschorene Wolle, oft schmutzig und verfilzt, wird zunächst in kalten, langsam fließenden Bächen gewaschen, wobei die Frauen nur Wasser und Holzschläger verwenden. Dieser schonende Prozess bewahrt die natürliche Struktur und Qualität der Wolle.
Anschließend wird die Wolle von Hand auseinandergezogen und nach Qualität sortiert. Die Frauen beurteilen sie anhand des Zeitpunkts der Schur, der Pflege der Schafe und der Beschaffenheit des Fells. Besonders hochwertige Wolle stammt von Nacken, Schultern und Rücken, während die Wolle von Bauch und Beinen als weniger wertvoll gilt. Diese sorgfältige Sortierung und das Engagement der Frauen sind entscheidend für die Qualität des Kelims.
Kardieren und Kämmen: Die Vorbereitung der Wollfasern
Nach der Reinigung und Sortierung folgt die Vorbereitung der Wolle für das Spinnen. Für Kelims wird die Wolle gekämmt, um die Fasern parallel auszurichten. Mithilfe von Kämmen mit eng stehenden Metallzähnen entwirren die Frauen die Wolle zu einem lockeren Band, das später zu einem festen Garn gesponnen wird. Wolle für gestrickte Produkte hingegen wird kardiert, was zu einem weicheren, isolierenden Garn führt. Diese Techniken ermöglichen es den Frauen, die Wolle optimal auf ihren Verwendungszweck vorzubereiten.
Das Spinnen: Vom Vorgarn zum Faden
Der nächste Schritt ist das Spinnen, eine Kunst, die ursprünglich rein von Hand ausgeführt wurde. Die Frauen ziehen und drehen die Wollfasern, um sie zu Fäden zu formen – ein zeitaufwendiger Prozess. Mit der Einführung der Fallspindel, einem handlichen Werkzeug, wurde das Spinnen jedoch effizienter und gleichmäßiger. Die Fallspindel ermöglichte es den Weberinnen, die Dicke des Fadens besser zu kontrollieren, und da sie leicht und mobil ist, konnten sie sie sogar während anderer Tätigkeiten nutzen.
Das Färben: Die Kunst der natürlichen Farbstoffe
Ein essenzieller Schritt im Herstellungsprozess ist das Färben des Garns. Über Jahrhunderte hinweg haben die Weberinnen in Anatolien ausschließlich natürliche Farbstoffe verwendet, die aus Pflanzen, Insekten und Mineralien gewonnen wurden. Rot aus Krappwurzeln, Gelb aus Safran und Blau aus Indigo – diese natürlichen Farben verleihen den Kelims ihre außergewöhnliche Brillanz und Tiefe.
Mit der industriellen Revolution gelangten synthetische Farbstoffe in die Region, die die traditionellen Techniken nach und nach verdrängten. Bei Wild Heart Free Soul haben wir das Glück, noch Kelims zu finden, die ausschließlich mit natürlichen Farbstoffen gefärbt wurden. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts sind Kelims mit Mischungen aus natürlichen und synthetischen Farben häufiger anzutreffen. Erstaunlicherweise ist die Qualität der damals synthetisch gefärbten Wolle spürbar höher als die heutiger industrieller Produkte – ein Detail, das uns bis heute fasziniert und unbeantwortete Fragen aufwirft.
Das Weben: Das Herzstück der Kelim-Herstellung
Nach dem Färben beginnt das Weben, der vielleicht bedeutendste Schritt im Herstellungsprozess. Auf traditionellen Holzwebstühlen verweben die Weberinnen Kett- und Schussfäden zu einem dichten Gewebe. Die vertikalen Kettfäden bilden die Basis, in die die horizontalen Schussfäden eingewoben und miteinander verknüpft werden. Mit einem „Kirkit“, einem schweren Kamm aus Holz oder Eisen, verdichten die Frauen das Gewebe, das so fest zusammenhält und keine Schlaufen zeigt.
Durch unterschiedliche Webtechniken entstehen regionale Besonderheiten und spezifische Muster, die das handwerkliche Können der Weberinnen sichtbar machen. Die Kelims sind oft mit geometrischen und symbolischen Motiven versehen, die familiäre, religiöse oder spirituelle Bedeutungen haben und tief in der Kultur verwurzelt sind. Jeder Kelim erzählt eine Geschichte und spiegelt die Lebensweise und die Identität seiner Schöpferin wider. Die Herstellung eines Kelims kann Wochen oder sogar Monate dauern, abhängig von der Größe und Komplexität des Musters.
Abschluss: Eine Verbindung zur Tradition
Die Kunst der Kelim-Herstellung offenbart eine tief verwurzelte Verbindung zwischen Mensch, Natur und Kultur. Jeder Kelim erzählt seine eigene Geschichte und ist Zeugnis der Hingabe und des handwerklichen Wissens, das über Jahrhunderte von Generation zu Generation weitergegeben wurde. In einer Zeit, in der Handwerkskunst zunehmend von maschineller Produktion abgelöst wird, erinnern uns diese einzigartigen Werke daran, wie wertvoll und zeitlos diese Tradition ist.
Bei Wild Heart Free Soul setzen wir alles daran, dieses Erbe zu bewahren und die gewebten Geschichten Anatoliens lebendig zu halten. Indem wir diese Vintage- und antiken Kelims kuratieren und restaurieren, bringen wir nicht nur ein Stück anatolischer Kultur in dein Zuhause, sondern schaffen auch eine tiefe Verbindung zur jahrhundertealten Kunst des Kelim-Webens. Diese Kelims laden uns ein, ein Stück dieser faszinierenden Geschichten in unser Leben zu lassen und die unvergängliche Schönheit eines authentischen, handgefertigten Kunstwerks zu genießen.
